Werkausgabe mit Haken

Der deutsche Lesemensch nimmt gemeinhin an, eine Werkausgabe erscheint posthum oder im angemessenen Alter eines Autors, jedenfalls aber nach Beendigung seiner schriftstellerischen Aktivitäten. Eine Werkausgabe posthum verlegen wir noch nicht; Herbert W. Franke, dessen »SF-Werkausgabe« bei uns erscheint, erfreut sich noch bester Gesundheit – und schreibt bisweilen sogar noch.

Tiny Stricker, selbst inzwischen 71 Jahre alt, schreibt auf jeden Fall immer noch. Und nicht wenig. Und das macht die Vermarktung seines neuesten Buches – »U-Bahn-Reiter« – als Teil seiner Werkausgabe ein wenig schwierig. Denn es ist eine Neuerscheinung, niegelnagelneu, noch nie veröffentlicht, wir haben es sozusagen als Erste.

Wer Tiny Strickers Werk kennt, wird auch dieses Buch goutieren – in der heutigen Zeit beschreibt der Roman Geschichten, die man gerade so nicht erleben kann, in der U-Bahn sowieso nicht. Und wer sein Werk noch nicht kennt, findet im »U-Bahn-Reiter« ganz sicher einen guten Einstieg.

SF oder nicht SF

Das ist keine Frage. Gabriele Behrends aktueller Roman »Salzgras & Lavendel« ist eindeutig eine Science-Fiction-Geschichte. Dennoch haben wir uns für eine Veröffentlichung ohne dieses Label entschieden. Die aktuelle SF-Kritik neigt derzeit dazu, sich auf Klischees zu verlegen – und deren Fehlen als negativen Kritikpunkt anzubringen. Und Gabriele Behrends Buch fehlt vieles, von dem die Kritik glaubt, dass es SF ausmacht: Aliens, richtig fremdartige Technik, Raumschiffe, Militärs, Schlachten, allgemein: Action. Und vermutlich wird dabei auch übersehen, dass die Figurenzeichnung in diesem Buch nahezu perfekt ist. Realistisch.

Denn darauf hat sich Gabriele Behrend in ihrem »Salzgras & Lavendel« verlegt: Auf die Schilderung ihrer Figuren, ihrer Psyche und der – modernen, fiktiven – Bewältigungsmöglichkeiten psychologischer Konflikt- und Grenzsituationen. Der Witz an ihrer Geschichte ist diese »Technik«. Und die aus vielfältigen Facetten »gebauten« Figuren.

Kein Genrewechsel

p.machinery ist als Science-Fiction-Verlag bekannt – mit Ausreißern, zugegeben. Und der neue Roman von Bernhard Kempen, der dieser Tage erschienen ist, ist SF, unzweifelhaft. Und auch, wenn es zwischen den Buchdeckeln ordentlich »zur Sache geht«, wie man so schön andeutet, ohne konkret werden zu müssen – und doch weiß jeder, was gemeint ist, unzweifelhaft –, werden wir die Richtung unseres Programms nicht ändern. Nur erweitern. Ja, erweitern. Wir denken, der deutschsprachige und deutschlesende SF-Fan hat auch ein wenig Abwechslung verdient, und wenn die hier nicht geboten wird, dann wissen wir wohl auch nicht weiter …

Details zum Buch:

Kempen, Bernhard, ARKADIA

Ein echter Brocken

… ist Petra Jörns’ »Fremde Heimat«, das wir aktuell mit 544 Seiten auf den Markt geworfen haben.

Das Bemerkenswerte an dem Buch:

  • Das Manuskript datiert von 2012.
  • Es ist eines der ersten SF-Bücher von Petra Jörns, das unter ihrem bürgerlichen Namen und nicht (mehr) unter einem Pseudonym erscheint. Ursprünglich sollte »Fremde Heimat« unter dem Namen P. E. Jones erscheinen – das ist nun passé.
  • Das Titelbild stammt von Crossvalley Smith, der auch mehr als fünf Jahre nach seinem überraschenden Abschied aus dieser Welt noch bestens bekannt sein dürfte. Seine Werke sind auch heute noch im Internet zu finden, und die Zahl der Bücher von p.machinery, deren Titelbilder von ihm stammen, ist sicher zweistellig.

Die Geschichte, die Petra Jörns hier vorgelegt hat, ist eine Space Opera in bestem Sinne. Es geht aber nicht um Raumschlachten – außer ganz am Anfang, quasi als Grundlage der Geschichte –, sondern um Menschen und die humanoiden Aliens der Krail-on, um unterschiedliche Kulturen, um den Umgang mit Fremden und deren Besonderheiten, und letztlich um Feindschaften, aber auch um Freundschaften.

Interessante Verbindungen

Selten gab es einen sogenannten Klappentext (der ja eigentlich auf der Buchrückseite steht, also ein Buchrückseitentext ist), der so klar, eindeutig und ehrlich war:

»Was hat Zukunft mit der Vergangenheit zu tun?
Was haben Heimat und SF gemeinsam?
Welche Zukunft hat Heimat?
Und kann Zukunft zur Heimat werden?
Mit diesem Buch will ich keine Antworten geben, sondern zum Nachdenken anregen und zum Widerspruch inspirieren!«
[Mike Weisser]

Die zentrale Frage, was Heimat und SF gemeinsam haben, wird auf interessante und mitunter überraschende Weise beantwortet.

Mühsame Eichhörnchen

Naja, die Eichhörnchen haben noch ein wenig Zeit bis zum nächsten Winter, und so mühsam ist ihre Ernährung im Augenblick wohl nicht.

Im Zusammenhang mit der Werkausgabe Tiny Stricker von mühsamen Eichhörnchen zu sprechen oder zu schreiben, ist so richtig auch nicht. Es geht langsam, aber es geht voran. Das Erstere ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass Tiny Stricker ein sorgfältiger, bisweilen sogar regelrecht penibler Autor ist. Bei den zwangsläufigen Zusammenstößen mit unserem pedantischen und nicht selten leidenschaftlich klugscheißerischen Verleger kommt es damit zwangsläufig zu Verzögerungen, weil Korrekturen, Änderungen, neue Korrekturen, Diskussionen usw. usf.

Am Ende jedoch steht nun der neunte Band der Werkausgabe Tiny Stricker, eine deutsche Erstveröffentlichung mit dem schönen Titel »Spieler im Park«, ein Roman mit schwer autobiografischem Einschlag – wie eigentlich immer bei Tiny Stricker – und viel lokalem Flair für Englandfans.

In diesem Buch sind diesmal auch Abbildungen enthalten. Zugegebenermaßen, um das Werk ein wenig fleischiger zu gestalten, aber auch, weil ein zentraler Handlungsort – die Stourhead Gardens – schon zum Reiseprogramm der Verwandtschaft des Verlegers gehörte. Und so freuen wir uns, neben einzelnen Abbildungen anderer Fotografen auch zahlreiche Werke der Regina Haitel zu präsentieren, die der ganzen Geschichte eindeutig noch einen zusätzlichen englischen … nein, sogar britischan Flair hinzufügen.

Und wir sind mit dem Autor einer Meinung, dass dieser kleine Roman – richtiger: diese kleine Novelle – in den modernen Zeiten des versagenden Brexits von ganz besonderer Bedeutung sein könnte.

Weitere Details zum Buch: hier.

Es geht natürlich weiter …

Es wurde schon die Frage gestellt, ob und wie es mit der SF-Werkausgabe Herbert W. Franke weitergeht. Die Antwort ist einfach: Es geht weiter.

Durch den Verlagsumzug im Dezember 2018 kam es überall zu Verzögerungen, so auch in der Werkausgabe. Und noch immer schleift hier einiges. Denn schon im April ist der zwölfte Band der Werkausgabe erschienen: »Sirius Transit«. Und dies dürfen wir hiermit verkünden.

Die Details zum Buch finden sich hier.